DVRW Marburg Konferenz 2017

Der Arbeitskreis Religionsästhetik organisierte unter der Leitung von Alexandra Grieser auf der DVRW 2017 in Marburg zwei Panels:

Freitag, 15.9.2017

Panel 1: Religionsästhetik als Praxis: Daten, Methoden, Unterricht 1

Leitung: Alexandra Grieser (Dublin, IE)

Religion/en im Verhältnis zu Wahrnehmung und Sinnen zu erforschen stellt besondere Anforderungen an Methodik und Didaktik, erlaubt aber auch neue Möglichkeiten, die Wirksamkeit von Religion zu verstehen. In der Forschungspraxis stellen sich Fragen wie: Was sind „sinnliche Daten“? Wie erfasst man die Wirkung von Klängen, Formen, Farben, Berührungen? Wie notiert und versteht man komplexe Bewegungen, Tänze, aber auch Texte, ohne sie auf den „Ausdruck“ von Ideen und Glaubenssätzen zu reduzieren? In der akademischen Lehre wie in Selbstbildung müssen Aufmerksamkeiten und analytische Fähigkeiten entwickelt und trainiert werden, die über Texthermeneutik hinausgehen und Affekte, Atmosphären und Wahrnehmungsweisen einschließen. Im Zusammenspiel von Begriffsarbeit und praktischen Beispielen machen wir zum Thema, was es heißt, RAesth zu unterrichten.

Alexandra Grieser (Dublin, IE) – Das Politische des Sinnlichen: zur Analyse von „aesthetischen Ideologien“ 

Das Verhältnis von Inhalt und Form steht zentral für eine religionsästhetische Analyse: Wenn ästhetische Formen mehr sind als der Ausdruck von Ideen und Glaubenssätzen, und wenn Sinnlichkeit nicht nur das „Rohmaterial“ für die Herstellung von Bedeutung und „Verstandeserkenntnis“ darstellt – wie lässt sich dann „sinnliche Erkenntnis“ und ihre ideologische Macht analysieren? Die Ästhetik hält ein Repertoire an Konzepten vor, um Prinzipien ästhetischer Kommunikation zu erklären und zu analysieren. Was macht eine autoritäre Ästhetik aus? Welche Normen gelten für einen religiösen Körper, und einen säkularen? Wie sind Ideale „eingekörpert“ und in – oft unbewusste – Handlungspräferenzen umgesetzt? Wie wird Macht nicht nur repräsentiert, sondern produziert? Fragen wie diese leiten die Analyse „aesthetischer Ideologien“ didaktisch an.

Esther-Maria Guggenmos (Erlangen) – Biographien mit Studenten neu gelesen – Religionsästhetische Aspekte buddhistischer Wundererzählungen aus China 

Dieser Beitrag teilt die didaktischen Erfahrungen, die sich aus der Lektüre chinesischer buddhistischer biographischer Sammlungen mit Studenten im Unterricht ergaben. Er identifiziert sinnvolle Lektüreschritte und Interpretationswege und reflektiert das Potential eines religionsästhetischen Ansatzes. Was ist unentbehrlich bei der Lektüre als grundlegendes Standardwissen? Zusammenfassungen von Figurenkonstellationen und Erzählsträngen scheinen gerade im fremdkulturellen Kontext keineswegs trivial. Wie gelangt man unter diesen Umständen zu einer vertieften Interpretation und inwiefern hilft hier die Verlagerung auf das Gesamt sinnlicher Kommunikation, die der religionsästhetische Ansatz verfolgt? Der Vortrag exemplifiziert dies an einer konkreten Biographie aus dem Korpus der „Biographien wundertätiger Mönche“ (Shenseng Zhuan, T. 2064).

Brigitte Luchesi (Berlin) – Fotografien in religionswissenschaftlichen Forschungen und Publikationen 

Für viele Religionswissenschaftler*innen gehört der Fotoapparat zu den unerlässlichen Arbeitsmitteln, um Ereignisse und Dinge, über die sie forschen, zu dokumentieren, aber auch, um einige dieser Dokumente der Veröffentlichung ihrer Arbeitsergebnisse in schriftlicher oder mündlicher Form zur Seite zu stellen. Dabei muss es nicht vorrangig um technisch einwandfreie Abbildungen gehen, ebenso wenig um primär „schöne“ oder spektakuläre Bilder. Zu fragen ist: Welche Art Bilder wären erwünscht/geeignet? Welche Gesichtspunkte sind bei der Herstellung und Auswahl von Fotos für Publikationen/ Vorträgen zu beachten? Welches zusätzliche und/oder andere Wissen können sie im Vergleich zum schriftlichen oder mündlichen Text erzeugen? Antworten darauf wollen zur Ästhetik visueller Präsentation von Religion beitragen.

Panel 2: Religionsästhetik als Praxis: Daten, Methoden, Unterricht 2 

Leitung: Alexandra Grieser (Dublin, IE)

Religion/en im Verhältnis zu Wahrnehmung und Sinnen zu erforschen stellt besondere Anforderungen an Methodik und Didaktik, erlaubt aber auch neue Möglichkeiten, die Wirksamkeit von Religion zu verstehen. In der Forschungspraxis stellen sich Fragen wie: Was sind „sinnliche Daten“? Wie erfasst man die Wirkung von Klängen, Formen, Farben, Berührungen? Wie notiert und versteht man komplexe Bewegungen, Tänze, aber auch Texte, ohne sie auf den „Ausdruck“ von Ideen und Glaubenssätzen zu reduzieren? In der akademischen Lehre wie in Selbstbildung müssen Aufmerksamkeiten und analytische Fähigkeiten entwickelt und trainiert werden, die über Texthermeneutik hinausgehen und Affekte, Atmosphären und Wahrnehmungsweisen einschließen. Im Zusammenspiel von Begriffsarbeit und praktischen Beispielen machen wir zum Thema, was es heißt, RAesth zu unterrichten.

Katharina Wilkens (München) – Methodische Reflexionen zu teilnehmender Beobachtung und Religionsästhetik 

Manchmal tun sich Ethnografen vermeintlich schwerer als Philologen mit der Frage nach der Realität von Geistern, Hexenkraft oder Heilungsmagie. Dies liegt methodisch auch an der Wirkung der teilnehmenden Beobachtung: man ist persönlich im Geschehen involviert. Körperliches Spüren wird über kulturelle Wahrnehmungsfilter zu wahrgenommener Realität. Die spezifische Wechselwirkung von körperlichen Erfahrungen und kulturellen Deutungsmustern ist der Angelpunkt, an dem die Religionsästhetik methodologisch einsetzt. Eine methodische Kontrolle muss subjektive Wertungen sichtbar machen. Aufbauend auf allgemeinen Erkenntnissen zur teilnehmenden Beobachtung und narrativen Interviews werde ich in diesem Vortrag auf die Erhebung und Protokollierung sinnlicher Daten und ihrer Wirkung fokussieren. Beobachtungen aus der Lehre ergänzen die Argumentation.

Laura von Ostrowski (Salzburg) – Die sakrale Zeit des Hier und Jetzt: Die somatische Konstruktion von Gegenwärtigkeit in der rezenten deutschen Yogaszene 

Gegenwärtigkeit wird im Yogaunterricht diskursiv und somatisch gezielt inszeniert. Mittels verbaler Ansagen versucht der Lehrer den Übenden in einen Zustand raumzeitlicher Präsenz zu versetzen. Der religionsästhetische Ansatz beachtet aber auch die somatisch effektiven Techniken, die der Yogapraxis zugrunde liegen und fragt nach einem durch sie vermitteltem Körpererleben und Körperwissen. Anhand des dargelegten Materials werden Ansätze für die Erforschung multimodalen Wissens diskutiert und ein methodenplurales Vorgehen, bestehend aus Interviewanalyse, der Analyse visuellen Materials und dem zurate ziehen von adäquaten medizinischen Studien vorgestellt. Es wird außerdem der Frage nachgegangen, inwiefern die beobachtende Teilnahme der Forscherin, die automatisch eine sinnliche Involviertheit mit sich bringt, zur Forschungsarbeit beiträgt.

Jens Kreinath (Wichita, USA) – Erhebung, Dokumentation und Darstellung von Feldforschungsdaten in der Erforschung religiöser Erfahrungs- und Wahrnehmungsmuster 

Die Erforschung religiöser Erfahrungsformen hat eine lange Tradition. Der Fokus auf das religiöse Subjekt resultierte vor allem in der religionsphänomenologischen Tradition zu methodischen Engführungen, die eine angemessenere Erfassung religiöser Erfahrungs- und Wahrnehmungsmustern bisher verhinderten. Anknüpfend an eine Relektüre ausgewählter Forschungsansätze führt dieser Vortrag in die Methodenfragen einer religionsästhetischen Feldforschungspraxis ein und fragt wie ethnographische Daten zu religiösen Erfahrungs- und Wahrnehmungsmustern erhoben, dokumentiert und dargestellt werden können. Auf Grundlage meiner Ethnographien zu interreligiösen Formen der Heiligenverehrung in der südtürkischen Provinz Hatay werden Beispiele derzeit laufender Forschungsprojekte vorgestellt und unter didaktischen wie methodischen Gesichtspunkten diskutiert.